Ingrid B. Honneth

Schaum


„Die wichtigsten Gegenstände sind die gewöhnlichsten. Ihre Wichtigkeit steht in direktem Verhältnis zu ihrer Banalität.

René Magritte


Ingrid B. Honneth zeigt uns Aspekte von Schaum: Was sehen wir? Selbstreflexivität von Materialität des Baumarkt-Materials Styropor,

aber auch die Hinwendung zur akribisch registrierten Darstellung der Binnenstruktur ihrer bevorzugten Kunst-Objekte, vernachlässigter,

kaum beachteter Alltagsgegenstände, Träger und Bestandteile traditioneller Sujets, Topoi und Mythen in den ungewöhnlichen per

spektivischen Größenverhältnissen ihres popig-surrealen Stils, alltägliche Beliebigkeit, durchsetzt vom Realen des Begehrens, amorphe

Zellstrukturen dyadischer Blasen und fetischistischer Libido-Bezüge, das geschichtliche Datum eines Kalenders, kurz, eine Pluralität

von Plateaus und Layers, welche die Immanenz unseres Lebens auszeichnet. Daher kein logozentrisches Konzept, sondern ein

Wuchern der Bedeutungsschichten, Blasen, Schaum ... .


Seifen, Brotscheiben und Zeichnungen, alle in Mischtechnik, 2004 (Atelieraufnahme mit einigen Arbeiten für die Ausstellung 'Schaum')


In seiner doppelten antagonistischen Bedeutung: als inflationäre, ersticken machende Nichtigkeit, - Waschmaschinenschaumkronen auf

stinkenden Kloaken – Abschaum einerseits, Metapher für Alltäglichkeit, für das Regmine des Immergleichen, aber auch Schaum in seiner

mikrologischen Binnenverfassung heterogener, mobiler und fragiler Strukturen aus Atmosphären einschließenden Blasen, als gärender,

durch Hitze erstarrter Teig der Brotscheibe, als potentielle Schaumquelle einer Kernseife aus den fünfziger Jahren, daher „Edelseife“ ge-

nannt, und als der Schwamm eines zum Hygienehilfsmittel instrumentalisierten submarinen Biotops, dazwischen der zum Memento der

Vergänglichkeit und zur Metapher von Verzweiflung gewordene Abrisskalender, der stoisch zugleich auf die Bitte oder nach Adorno eher

die schlichte Utopie „vom täglichen Brot“ verweist: „dass niemand mehr hungern muß“. Dies ist mein Leib, von Lotte den Hungrigen ausge-

teilt – Alltag als Aufschein utopischer Schönheit, erleuchtende Aufmerksamkeitsstrahlen auf dem Einfachsten, daher unbeachtet Ver-

gessenen, Eleganz des Schlichten, Würde des Kargen ... . Arte povera Germaniae, wo das lebens-notwendig Reale des Beuys’schen

Fetts auf die exakte Detailtreue von Dürers Rasenhaufen trifft? Sicher etwas davon, gebackene Gärung plastischer Wort-Bilder, dem

Grauen der Lager gewärtig und standhaltend, offen, schicksalslos ... .


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